Vincenzo Maltempo – Liszt – Hungarian Rhapsodies Complete Piano Classics PCLD0108 (2016)
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Alle 19 Ungarischen Rhapsodien Liszts hat der italienische Pianist Vincenzo Maltempo eingespielt, der Kennern des Klavierrepertoires durch seine zahlreichen Interpretationen der Werke von Liszts Zeitgenossen Charles Valentin Alkan, aber auch durch eine früher erschienene CD mit Lisztwerken bereits ein Begriff sein dürfte.
Maltempos Interpretationen der Ungarischen Rhapsodien zeugen von einer intensiven Auseinandersetzung mit jedem einzelnen dieser Werke und loten die ganze Bandbreite ihres Ausdrucks und ihrer Technik aus. Maltempo gelingt das in herausragender Weise. Was alles an musikalischem Ausdruck zwischen Bohème und Bürgertum, zwischen Salon und Lagerfeuer, zwischen lautem Pathos und leiser Poesie, zwischen operettenhaftem Geplauder und tiefsinniger Ironie, zwischen Ésprit und Naivität, zwischen Lebenslust und Todesverachtung, zwischen Enthusiasmus und Resignation, Individuum und Masse aus Liszts Rhapsodien zu schöpfen sein mag: Maltempo vermag es in einem mächtig lebensvollen Panorama vor uns aufzuspannen. Hier sind Tiefe und Intelligenz der Interpretation alles, Maltempos Technik lediglich das – allerdings grandiose und Staunen machende – Mittel zum Zweck, wie Liszt es zeitlebens forderte.
Im Ergebnis sind Maltempos ebenso feinnervige wie kraftvolle Reflexionen keine Bewerbung um den Jubel des großen Publikums, sondern eine gültige Auseinandersetzung mit Werken, die den Komponisten Liszt sein Leben lang begleitet und immer wieder beschäftigt haben. Daher ist man Maltempo dankbar, dass diese üblicherweise als Konzertschlachtrosse aufgaloppierenden Werke hier einmal als subtile Wesen in den goldenen Bernstein der Tonaufnahme gebannt sind.
Michael Straeter